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Warum angeln?

Keine Frage, ich bin leidenschaftlicher Angler, allerdings ein Spätberufener. Im Gegensatz zu vielen anderen, die schon als Jugendliche eingestiegen sind, bekam ich meinen Angelschein zum fünfzigsten Geburtstag geschenkt. Vor dem einundfünfzigsten war er bestanden und es hat mich sofort gepackt.

 

Seither werde ich nicht müde, meine gesamte Umgebung daran teilhaben zu lassen. Manch einer kann es vielleicht nicht mehr hören, aber im Großen und Ganzen stößt es auf wohlwollendes Interesse, zumal ich gerne auch einmal zu einer Fischmahlzeit einlade.

 

Regelmäßig werde ich gefragt, was denn am Angeln so toll sei. Ganz ehrlich, außer einer eher lahmen Antwort kommt da nicht viel. Ja, was ist denn so toll daran? Reicht es denn nicht sich ans Wasser zu setzen und kontemplativ in den Wald zu starren? Oder man könnte doch wandern gehen. Nein, das alles ist es nicht. Wie erklärt man einem Blinden die Farbe Grün, einer Jungfrau, was Sex ist oder der Omi, was Freeklimbing bedeutet? Man muss es erleben, um es zu verstehen.

 

 

Das Angeln besteht aus vielen Einzelteilen und ist doch mehr, als ihre Summe.

 

Angeln ist Biologie

Macht man den Angelschein, lernt man einiges über Fische, aber nicht einmal ansatzweise das, was man braucht, um sie tatsächlich erfolgreich zu fangen. Wer wirklich erfolgreich sein will, muss noch viel weiter gehen und sich detailliert mit dem Fisch beschäftigen, den er fangen will. Soll es z.B. ein Hecht sein, muss ich mir auch die Fische anschauen, die seine Nahrung sind usw. Das Umfeld, also das Gewässer ist ebenfalls sehr wichtig. Unter Wasser gibt es eine faszinierende Welt, die man üblicherweise nicht kennt und in der sich einiges abspielt. Eine Spaziergängerin hat mich mal gefragt, wie viele Fische denn im Weiher wären? Ich lies sie raten und sie schätze 200-300. Ich sagte, es sind einige Millionen. Sie wollte es erst nicht glauben. Wir haben einige stramme Hechtmamas im Weiher, von denen jede pro Jahr rund 500 000 Eier ablegt. Von all den anderen Fischen will ich gar nicht erst reden.

 

 

Unter Wasser finden wir faszinierende, aber auch sehr sensible Ökosysteme und manch alter Angler weiß darüber mehr, als der durchschnittliche Biologe.

 

Angeln ist Natur

 

Man ist beim Angeln draußen, keine Frage, aber man setzt sich nicht einfach ans Wasser und wirft die Rute aus…ok, das kann man auch machen, aber letztendlich müssen wir dort hin, wo die Fische sind und die interessieren sich nicht für unsere Bequemlichkeit. Man erlebt immer wieder irre Dinge. Angele ich an unseren Flüsschen, landen gegenüber immer wieder Störche, die dort auf die Jagd gehen. Kürzlich landete ein Eisvogel auf meiner Rute, dicht gefolgt von einem zweiten. Ich konnte beobachten wie ein Großhecht einen Kormoran attackierte. Anfang des Jahres sah ich eine Kreuzotter. Leider erst nachdem sie mich ins Bein gebissen hatte. Es ist Natur pur und die wenigsten Menschen dürfen so etwas erleben oder können es überhaupt erleben. Dazu müsste man sich stundenlang irgendwo in den nassen Matsch setzen und weitestgehend bewegungslos ausharren. Das schafft niemand, außer eben den Anglern und das tun auch nicht alle.

 

Angeln ist Naturschutz

 

Ja, das ist es tatsächlich. In den letzten 30-40 Jahren hat die Qualität unserer Gewässer einen Stand erreicht, wie wir ihn wohl seit Begin der Industrialisierung nicht mehr hatten. Durch die Umweltschutzgesetzgebung wurde wieder eine hohe Wasserqualität erreicht. Die Renaturierung kleinerer Still- und Fließgewässer haben die Angler erledigt. Man mag nun unterstellen, dass das natürlich reines Eigeninteresse ist, denn in einem sauberen Fluß mit vielen Fischen lässt es sich gut angeln. Vielleicht ist das tatsächlich oft so, aber bestimmt nicht grundsätzlich. Unser Verein bewirtschaftet rund 4 Km des hauseigenen Flusses und der ist dermaßen renaturiert und unzugänglich geworden, dass nur die extremsten Hardcoreangler dort ihr Glück versuchen und trotz des guten Fischbestandes nichts fangen. Aus Rücksicht auf Brutvögel ist der Fluss auch einen großen Teil des Jahres gesperrt.

 

Angeln ist Planung

Entgegen der landläufigen Meinung, geht ein Angler nicht einfach ans Wasser, hängt einen Köder rein und fängt irgendetwas. Klar, das kann man zwar tatsächlich so machen, aber der Erfolg wird ausbleiben.

Welches Gewässer hat welche Bedingungen? Was kann man dort fangen? Wie wird die Wetterlage sein? Auf welchen Zielfisch bereite ich mich vor? Wie tickt dieser Fisch? Welche Köder brauche ich und welche Ausrüstung?

 

 

 

Angeln ist Technik

 

Ja, es ist tatsächlich ein sehr techniklastiges Hobby. Es geht um Ruten und Rollen, aber auch um sehr viel mehr. Schnüre, Haken, Karabiner, Wirbel, Gewichte, Posen, Kunstköder und vieles mehr. Jede einzelne dieser Kategorien ist eine Wissenschaft für sich, mit der man sich endlos lange beschäftigen kann und erst die richtige Kombination alle Faktoren bringt einen dauerhaften Erfolg.

 

Angeln ist Ruhe

Angelt man z.B. auf Karpfen, kann es Stunden dauern, bis man den ersten Biss hat, selbst wenn alles stimmt. In dieser Zeit ist man alleine mit sich, mitten in der Natur. Das hat etwas zutiefst meditatives. Jeder wird sich dabei wohl anders beschäftigen. Einige, Wenige haben tatsächlich das Handy in der Hand. Ich entwerfe in dieser Zeit Texte, lese ein Buch oder schaue einfach nur ein Loch in die Luft. Es ist eine Art Zwangsruhe, wie man sie in unserer schnelllebigen Zeit eigentlich gar nicht mehr kennt. Ein Kurzurlaub in jeder Hinsicht.

 

 

 

Angeln ist Adrenalin

Die kontemplative Ruhe kann jederzeit ins genaue Gegenteil umschlagen. Ein Biss und los geht die Party. Was dann folgt ist meist Aufregung pur. Hätte man mich nach meinem ersten Karpfen angestochen, wäre pures Adrenalin, statt Blut gekommen. Hat man einen ordentlichen Fang, ist man noch eine ganze Weile unter Strom.

 

Angeln ist Nahrung

Manch einer unterschätzt das ja. Selbst geangelter Fisch aus heimischen Gewässern ist wohl eines der hochwertigsten und nachhaltigsten Nahrungsmittel, die man bekommen kann. Dass Fisch gesund ist, kann nicht einmal PETA bestreiten. Sie versuchen es natürlich dennoch, indem sie behauten Fisch sei ungesund, weil man links, hinter Galapagos eine Makrele mit Plastik im Bauch gefunden hat oder sie warnen vor Parasiten aus der inneren Mongolei. Nice to know, tut aber echt nichts zur Sache.

Unsere Gewässer sind mittlerweile in einem guten Zustand und entsprechend sauber und gesund sind die Fische. Sie reproduzieren sich selbst und in Massen. Eine einzige Hechtmama mittlerer Größe legt jedes Jahr locker eine halbe Million Eier. Die Fische leben und ernähren sich absolut natürlich. Da ist nichts, was mit Massentierhaltung vergleichbar wäre. Auch steht es ganz im Gegensatz zur Meeresfischerei, wo allzu oft die Fische tagelang im Schleppnetz hängen. Es geht schnell, es geht sauber und es geht nicht frischer.

 

Das Gesamtpaket macht den Reiz aus und jeder Angler greift sich dar heraus, was ihm am besten passt und so ist es ein ganz individuelles Hobby, für jeden etwas ganz eigenes und das kann man eigentlich nicht wirklich erklären.

 

Gibt es auch Schattenseiten?

Durchaus. Auch wenn PETA uns Anglern gerne eine Lust am Töten unterstellt, kenne ich doch keinen, der das gerne macht. Ganz im Gegenteil sind es die Tierrechtler, die versuchen Angler zum töten zu zwingen, um sie dann als Mörder zu beschimpfen. Die alten Haudegen machen es routiniert, manch ein Neuling vielleicht zögerlich, aber gerne und mit Lust…? Wie krank muss man sein, um so etwas zu unterstellen?

Auch das Ausnehmen und küchenfertig Herrichten eines Fisches ist nicht immer lecker. Bei den kleinen hat es mir nie etwas ausgemacht, aber wenn man erst einmal einen großen Friedfisch in der Mache hat, kann es schwierig werden. Bei mir war es ein Stör, also ein hemmungsloser Allesfresser und was in dem drin war, hat mich schon an meine Grenzen geführt.

 

Verroht es, Fische zu töten?

Auch das behauptet PETA und ich will es einmal aufgreifen. Ja, ich töte Fische, die ich essen will. Das fällt mir nicht immer leicht. Ich würde sie lieber küchenfertig aus dem Wasser ziehen. Ich nehme das in Kauf, tue es ganz bewusst und ich bin dafür verantwortlich, dass es möglichst schnell und sauber vor sich geht. Man mag es vielleicht nicht glauben, aber das Töten von Fischen hat mein Bewusstsein für das, was wir Tieren in Massentierhaltung und Schlachthöfen zumuten durchaus geschärft, denn so sauber, wie am Angelweiher sollte es auch dort sein, ist es aber meist nicht.

 

Es ist ein natürlicher Vorgang, von dem wir uns in unserer Überflussgesellschaft völlig entfernt haben. Und wieder muss man einer Jungfrau erklären, was Sex ist. Mein Respekt vor dem Tier und dem Leben allgemein wächst mit jedem Fisch, den ich entnehme und verspeise und das versteht wirklich nur jemand, der nicht nur davon redet, sondern es auch tut.

 

Übrigens geht mir diese Art der Argumentation auch völlig gegen den Strich. Der Mensch ist ebenso Teil der Natur, wie jede andere Kreatur und wer das bestreitet hat sich schon so in seine urbane Blase eingekapselt, dass er eh keine klare Aussage mehr treffen kann.

 

 

Schauen wir uns doch einmal an, was die Natur so tut. Wie viele Fische sind in einem normalen Vereinsweiher? Zeitweise viele Millionen. Fast alle Fische legen mehrere hundertausend Eier pro Jahr und Exemplar. 100 Millionen Babyfische in unserem Weiher sind nicht zu hoch gegriffen. Nach kurzer Zeit ist nur noch die Hälfte am leben. Der Rest wurde lebendig geschluckt und verdaut. Nach Wochen sind es nur noch Prozente, nach Monaten Promille, die bis dahin überlebt haben. Das Erwachsenenalter erreichen vielleicht Fische in der Menge eines tausendstel Promille oder weniger. Von diesen erwachsenen Fischen, werden einige von Anglern gefangen, waidgerecht getötet und verspeist…nicht lebendig geschluckt und verdaut. Fische, die natürlich aufgewachsen sind, werden Beute eines Menschen. Schnell und sauber. Schneller und sauberer, als bei jedem anderen Predator, der es auf Fische abgesehen hat.

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