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Fermentation

Fermentation ist derzeit extrem Hip und das ist durchaus zu verstehen. Wenn es um Nahrung geht, renne ich erst einmal jedem Trend hinterher und in diesem Fall konnte ich die Finger auch nicht davon lassen, aber erst einmal, was ist das überhaupt?

Sauerkraut kennt jeder, aber wer hat schon einmal richtiges Sauerkraut gegessen, also milchsauer vergorenes Kraut? In Streifen geschnittener Kohl wird in ein Fass gestampft, gärt dort vor sich hin und ist dadurch sehr lange haltbar. Meine Oma hat das noch gemacht und auch Bohnen hat sie sauer eingelegt. Ihr ganzer Keller duftete danach und den typischen Geruch habe ich heute noch in der Nase. Das kann man mit allen festen Gemüsesorten und viele Obstsorten machen.

Michsäurebakterien sorgen dafür, dass das Gemenge gärt, dabei vermehren sie sich rasend schnell und verdrängen, in dieser optimalen Umgebung, jeden anderen Mikroorganismus, der unser Sauerkraut schlecht werden lassen könnte. Es entsteht jede Menge Vitamin C, durch die Gärung wird die Zellstruktur aufgebrochen, so dass das Gemüse besser zu verdauen ist und die Michsäurebakterien sind ein Labsal für den Darm. Alles schön und gut. Was mich allerdings an der Sache so richtig anturnt, ist die Tatsache, dass bei dieser Art der Konservierung Aromen freiwerden, die man so noch nicht hatte.

Möhrchen und Kohlrabi konnte ich kürzlich versuchen und die waren fantastisch.

 

Der erste Versuch

Ich habe einfach, in große Stifte geschnittene, Möhren in ein altes Gurkenglas getan, mit 2% Salzlösung aufgegossen und einen Löffel „Brühe“ aus einer anderen Fermentation als Starter zugegeben. Hier erwarte ich keine kulinarischen Highlights. ich will einfach nur wissen, was passiert.

Am nächsten Tag roch es schon deutlich nach Sauerkraut und das Glas machte regelmäßig „PffftPfft“. Nach 3 Tagen sprudelt die Lösung schon wie ein Glas Mineralwasser und aus dem „Pffft“ ist ein eher unanständiges Geräusch geworden.

 

Auf einen Starter möchte ich nicht verzichten. So ist einigermaßen sichergestellt, dass sich auch die richtigen Tierchen ansiedeln. Ich kenne das schon vom Sauerteig. Ansonsten muss man darauf achten, dass nichts aus der Flüssigkeit herausschaut, denn dort schimmelt es dann gerne und der ganze Pot ist für den Kompost.

  

 

Jetzt wird es ernst!

Per Amazon habe ich nun 4 x 1l Mason-Ball Gläser bestellt und dazu vier Gärdeckel. Mit dieser High-End Ausstattung sollte nichts schief gehen. Ich kann also vier Versuche starten.

1.) Bunte Möhren in Stücke. Pfefferkörner und Dill dazu. Mit Salzlösung aufgießen.

2.) Kohlrabi in Stücke. Mit Salzlösung aufgießen.

3.) Möhren und Kohlrabi grob geschreddert, vermengt und mit Salzlösung       aufgegossen.

4.) Sauerkraut nach dem erstbesten Rezept aus dem Internet.

Als Starter habe ich hier eine Joghurtstarterkultur hergenommen. Es ist der gleiche Bazillus, sollte also klappen.

 

Tag 1

Stille in allen 4 Gläsern. Nichts blubbert oder schäumt. Lediglich die Flüssigkeit hat sich ein wenig eingetrübt, was hoffentlich daran liegt, dass sich die Milchsäurebakterien fleißig vermehren.

Mittlerweile habe ich herausgefunden, wie der wissenschaftliche Ansatz aussieht. Der ph-Wert in den Gläsern darf 4 nicht überschreiten, es muss also 4 oder sauerer sein. Hat man 5 oder mehr, ist das Glas gekippt und erledigt. Die Streifen für das Aquarium messen erst ab ph-6, sind also unbrauchbar. Lackmuspapier muss her und ich brauche meine Zunge nicht in eine potentiell verseuchte Flüssigkeit hängen.

 

 

Tag 2

Die Lackmuspapierchen sind eingetroffen. In den Gläsern ist immer noch Stille. Ein leichter Sauerkrautgeruch ist wahrzunehmen, was darauf hindeutet, dass sich die Milchsäurekulturen durchsetzen. Die ph-Werte liegen in allen Gläsern zwischen 5 und 6. Ist ok, denn die Fermentation hat noch nicht richtig begonnen.

Im Feldversuch/Gurkenglas haben wir schon eine satte 4 auf der ph-Skala. Hier läuft also alles richtig.

 

Tag 3

Offenbar geht es jetzt los. Die Gährröhrchen der Gläser 3 und 4, also das kleingeschredderte Zeug, haben sich mit trüber Brühe gefüllt. Das Volumen hat sich deutlich erhöht. Ich muss Flüssigkeit abschöpfen, die Röhrchen säubern und neu füllen. Wieder etwas gelernt! Beim Füllen sollte man Platz für die Ausdehnung lassen. Der Sauerkrautgeruch ist stärker geworden.

Bei genauem Hinsehen haben sich in allen vier Gläsern Blasen gebildet. Während ich noch reinschaue, lässt Glas 1 (bunte Möhren) eine ordentliche Ladung Gas ab.

Es geht voran! Die pH-Werte der Gläser 2-4 liegen bei 3. Hier ist der gewünschte Säuregrad mehr, als erreicht. Glas 1 dümpelt noch bei pH 5 vor sich hin. Die bunten Möhren sind noch nicht über den Berg.

 

Tag 4

Optik und Geruch haben sich nicht verändert. Bei den Gläsern 2-4 liegen wir immer noch bei pH-3. Nachzügler Glas 1 ist bei pH-4 angelangt.

Das Gurkenglas sprudelt nicht mehr. Ich wage nun zum ersten Mal einen Bissen und finde die Möhren überraschend gut, allerdings auch überraschend sauer. Es ist fast schon zu viel des Guten und der Weg zum Essig ist nicht mehr weit. Das Lackmuspapier bestätigt einen pH-Wert von 2. Die Lake bewegt sich also im Bereich von Zitronensaft. Die Karotten sind natürlich nicht ganz so sauer. ich kann also vermelden, dass der erste, laienhaft und nachlässig durchgeführte Versuch schon gleich erfolgreich war.

 

 

Tag 5-8

Alle pH-Werte stabil auf 3. Ansonsten keine Änderung.

 

Tag 9

Die Gärung hat in alle Gläsern nachgelassen. Der erste, vorsichtige Test steht an.

Die Bunten Möhren sind nicht mehr bunt, sondern alle knallrot. Vorher waren sie rot, gelb, weiß und schwarz. Die Roten färben sehr stark und haben sich durchgesetzt. Sie sind noch erstaunlich knackig und haben eine gute Säure, die so rein gar nichts mit Essig oder Zitrone zu tun hat.

Die Optik der Kohlrabistücke ist unverändert. Auch sie sind knackig und haben eine schöne Säure, wobei ihr Eigengeschmack gut durchkommt.

Der Mix aus geraspelten Möhren und Kohlrabi ist so, wie die größen Brüder.

 

 

 

Das Sauerkraut kann man durchaus roh aus dem Kübel essen. Ich hatte Kümmel, Wacholder und Lorbeer zugefügt. Der Kümmel dominiert. Die Säure ist genau richtig. Am gleichen Abend gab es noch Bratwurst, Sauerkraut und Püree. Ich muss sagen, dass es kein Vergleich zu gekauftem Kraut ist. Selbst das Faßkraut aus dem Bioladen schmeckt nicht einmal annähernd so gut, wie das auf den Punkt gedünstete, selbstgemachte Kraut.

Kohlrabi und Möhre geschreddert ist sehr gut verwendbar. Crème fraiche dazu. Salz und Pfeffer. Fertig ist der schnelle und sehr leckere Salat.

Die Möhren- und Kohlrabistücke wiederum sind nicht besonders brauchbar. Man kann sie als Snack essen, das war es dann aber auch schon.

 

In einem Anfall von irrsinniger Neugierde, habe ich sie scharf angebraten. Das Ergebnis war...nicht lecker. Immerhin sah es gut aus.

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