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Haben Fische Schmerzen?

Um diese Frage habe ich mir lange keinen Kopf gemacht. Für mich war es selbstverständlich, dass Fische Schmerzen haben und entsprechend behutsam habe ich sie behandelt.

 

Jeder Angler kennt PETA, eine radikal-fanatische Truppe von Tierrechtlern, die sich zum Feind der Angler erklärt hat. PETA geht seit Jahren permanent und höchst penetrant mit der Schlagzeile "Studien beweisen, dass Fische doch Schmerzen empfinden!" an die Medien. Aha, dachte ich und beschäftigte mich zum ersten Mal mit diesem Thema. Tatsächlich gilt in der seriösen Biologie der Grundsatz "No Brain, no Pain". Und bei Fischen ist man bisher davon ausgegangen, dass sie gar nicht kognitive Ausstattung haben, um Schmerz zu empfinden. Das war mir neu, aber ich bin interessiert. Darüber hinaus habe ich schmerzlich gelernt, dass man alle Aussagen von PETA hinterfragen sollte, ähnlich wie wie populistischen Parteien.

 

Ich weiß, wie Studien auszusehen haben, also habe ich mir die angeschaut, auf die PETA sich so gerne bezieht. Alle, wirklich alle Studienleiter sind als PETA-nah zu bezeichnen. Mangelhafte Dokumentation, das Fehlen tragfähiger Vergleichsgruppen, keine Reproduzierbarkeit und vor allem eine recht freie Interpretation der Ergebnisse, machen all diese Studien, aus wissenschaftlicher Sicht wertlos. Zwei Namen sind hier besonders hervorzuheben: Lynn Sneddon und Victoria Braithwaite.

 

Leider habe ich erst spät mitbekommen, dass all diese Studien in eine Metastudie zusammengefasst und bewertet wurden. Es hätte mir viel Arbeit erspart. Das Ergebnis ist jedenfalls vernichtend..

 

 

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Metastudie
Schmerzempfinden_bei_Fischen.pdf
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Insgesamt ist keine Studie über das Thema Schmerz, für Laien leicht zu erfassen und ich versuche nun zu erklären, worum es geht so, dass man es vielleicht versteht.

 

Schneidet sich ein Mensch in den Finger, wird der Reiz von speziellen Nervenknoten, sogenannten Nozizeptoren, registriert und ans Hirn weitergeleitet. Unsere Haut ist von diesen Sensoren überzogen und auch in Organen usw. finden sie sich. Der Schmerz selbst entsteht erst im Hirn, genauer gesagt in der Großhirnrinde und im Limbischen System. Schmerz kann übrigens auch ohne Nozizeptoren empfunden werden.

 

Das Hirn entscheidet, ob es Schmerz daraus macht, oder etwas anderes. Deshalb empfindet jeder Mensch Schmerz anders.

 

Kann man Schmerz messen? Nein, kann man nicht. Man weiß, was im Hirn eines Menschen passiert, wenn er Schmerzen hat. Das Gleiche passiert durchaus auch ohne Schmerzen. Über die Intensität des Schmerzes kann man auch absolut nichts sagen.

 

Wir halten also fest:

Schmerz entsteht im Hirn!

Man kann Schmerz beim Menschen nicht messen!

 

Die besagten Studien sind es alle gleich angegangen. Fische wurden mit Elektroschocks behandelt oder es wurden Ihnen reizende Flüssigkeiten injiziert. Zeigten sie darauf eine Reaktion, brach Jubel aus. Dabei wurde allerdings übersehen, dass es sich um gewöhnliche Abwehrreaktionen handelt wie sie auch Schnecken, Insekten und sogar manche Pflanzen haben.

 

Schlagzeile von PETA: Es wurde festgestellt, dass Fische viele Nozizeptoren haben! Das sollte ebenfalls den Fischschmerz beweisen. Erst einmal ist das keine neue Erkenntnis. Alter Hut. Knorpelfische habe wirklich keine. Knochenfische, im Vergleich zu Säugetieren, sehr wenige. Nozizeptoren dienen auch nicht nur zur Übertragung von Schmerz. Sie haben noch viele andere Aufgaben. Ergo...völliger Unsinn. Hätten Fische ein Schmerzempfinden, würde die geringe Zahl an Nozizeptoren eher darauf hinweisen, dass es sehr schwach ausgeprägt ist.

 

Der Kernsatz von allem ist aber "Man kann Schmerz beim Menschen nicht messen!" und auch bei keiner anderen Kreatur! Punkt...das steht! Wenn es jemals möglich ist, Schmerz zu messen, wird es ein neurologischer Ansatz sein. Wie also können Menschen auf die Idee kommen, mit Bienengift und Elektroschocks beweisen zu wollen, dass Fische Schmerzen haben? Ganz einfach, sie wollen es. Sie wollen es wirklich ganz dringend. Tierrechtler und die Ihnen nahestehende Wissenschaft würden diesen Nachweis als großen Sieg empfinden.

 

Was sagt die seriöse Wissenschaft dazu? Dort geht man davon aus, dass Fische kein Schmerzempfinden haben, wie wir es kennen, weil ihnen alle Hirnareale fehlen, die man nach dem derzeitigen Wissensstand dazu braucht.

 

Warum gehen die nicht gegen solch unseriöse Studien vor? Doch, tun sie...so, wie Wissenschaftler es eben tun. Sie veröffentlichen dazu Kommentare in Fachblättern, sie führen Kontrollstudien dazu durch und sie veröffentlichen eigene Forschungsergebnisse. Leider versteht das kein Mensch, es sei denn, er ist selbst promovierter Forellenforscher. Die Tierrechtler hingegen ziehen sich einige Kernsätze aus den ihnen genehmen Studien und bringen sie mit einem Millionenbudget in die Medien. Bei PETA-Deutschland sind es glatte 4 Millionen pro Jahr. Damit kann man schon einiges machen. Leider sind sie damit ausgesprochen erfolgreich.

 

Neben der regulären Wissenschaft gibt es auch noch andere Ansätze wie, frag den Angler. Was sagen die denn dazu? Ich habe schon sehr oft feststellen können, dass Fische sich tatsächlich nicht verhalten, als hätten sie Schmerzen. Fische haken sich an und es passiert nichts. Sie zucken nicht, sie schütteln sich nicht, sie flüchten auch nicht, sondern fressen weiter. Das hat sicher jeder Angler schon erlebt. Erst, wenn man Zug auf die Leine gibt und die Bewegungsfreiheit des Fisches einschränkt, reagiert er. Was er dann tut, spricht auch nicht gerade für Schmerz. Der Fisch stemmt sich wie blöde gegen den Haken, was ja nur noch mehr Aua verursachen würde. Kein Säugetier würde so etwas tun.

 

Fasst man alles zusammen, darf man derzeit getrost davon ausgehen, dass Fische keine Schmerzen kennen.

 

Was bedeutet das für den Angler? Absolut gar nichts! Man sollte den Fisch dennoch immer möglichst schonend behandeln.

Schmerz kann man nicht messen, Stress hingegen sehr wohl. Dazu gibt es tolle Studien, auch aus Deutschland.

Bei Stress schütten auch Fische alles mögliche in ihr Blut aus, was man messen kann. Hier liegt meiner Meinung nach der richtige Ansatz.

 

Lustigerweise nehmen sich Tierrechtler den Fischstress nicht zur Brust. Dabei könnte sie hier viel mehr seriöse Ansätze finden, als beim Schmerz. Leider ist es nicht so plakativ und Spenden lassen sich damit wohl auch nicht so gut generieren.

Professor Arlinghaus, von der Humbold-Universität in Berlin und vom Leipnitz-Institut für Gewässerökologie hat kürzlich Studienergebnisse, zum Thema Fischstress, veröffentlicht, die für Angler sehr interessant und teilweise übel sind. Dabei ist Arlinghaus selbst Angler.

 

Es wurden Karpfen geangelt. Für eine bestimmte Zeit an der Luft gehalten und danach wurden sie, über verschiedene Zeiträume gehältert, also in einem Netz ins Wasser gehängt. Das Hältern ist ein einigen Bundesländern erlaubt. In anderen Nationen sowieso.

Wer es genauer wissen will findet detaillierte Infos zur Studie über das Leibnitz-Institut. Ich will es nur kurz zusammenfassen. Der Drill und das Anlanden verursacht erstaunlich wenig Stress, der auch wieder schnell abgebaut wird. Das Hältern hingegen bringt den Stress auf ein hohes Niveau, der dann auch gehalten und nicht abgebaut wird.

Die Karpfen wurden mit Sendern versehen, um ihn Schwimmverhalten nach dem Zurücksetzen beobachten zu können. Gedrillte Karpfen kehrten fast sofort zum normalen Schwimmverhalten zurück. Gehälterte brauchen einige Stunden. Als Nebenprodukt wurden Erkenntnisse über die Hakensterblichkeit (sterblichkeit gedrillter und zurückgesetzter Fische) gewonnen. Alle Karpfen wurden über 2 Monate hinweg beobachtet. Nicht einer starb.

 

Gerade das Thema Hakensterblichkeit wird von PETA gerne dramatisch breitgetreten, obwohl alle Erkenntnisse dafür sprechen, dass diese Sterblichkeit sehr gering ist.. Hier haben wir ein schönes Beispiel von vielen. Das dass Hältern als zweifelhaft anzusehen ist, finde ich persönlich gut. Ich habe den Sinn darin nie gesehen. Entweder entnimmt man den Fisch, tötet ihn sofort und packt ihn in die Kühlbox oder man darf ihn nicht entnehmen und setzt ihn sofort und möglichst schonend zurück. Wozu also hältern?

Ich möchte noch eine andere, gerne benutzte Vokabel näher beleuchten, die von Tierrechtlern gerne ge- oder missbraucht: "Empfindungsfähigkeit"

 

Wieder so ein Begriff, den man einfach hinnimmt, schluckt und verdaut, ohne ihn zu hinterfragen. Ehrlich, ich habe auch lange nicht darauf reagiert, bis ich kürzlich in einem Anglerforum gelesen hatte, dass ausgerechnet ein Angler dieses Wort benutzte und behauptete, dass die Empfindungfähigkeit von Fischen ja bewiesen sei.

 

Was bedeutet das also? Nichts!

 

In der romantischen Ethik und Literatur des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts taucht die Vokabel vereinzelt auf und geht eher um die Abwesenheit vom Empfindungsfähigkeit, also um Menschen, die nicht fähig sind zu lieben. Diesen Ansatz greift auch der Duden in seiner Kurzdefinition auf.

 

Eine wissenschaftliche Definition existiert nicht! Gibt es also noch eine andere Definition außer der philosophischen? Ja, die gibt es. Und wer hat es definiert? Überaschung....die Tierrechtler von animal-ethics.

 

Animal Ethics wurde gegründet, um zu wichtigen Themen der Tierethik Informationen bereitzustellen, den tierethischen Diskurs zu fördern und um Ressourcen für Tierschutz- und Tierrechtsaktivist*innen anzubieten.

(https://www.animal-ethics.org/uber-uns/)

 

Auf ihrer Internetseite erklären sie langatmig, was es damit auf sich hat. Wie es sich gehört, haben sie auch eine ganze Batterie von Quellen angegeben, wohl in der Hoffnung, dass sich das niemand genauer anschaut. Sorry, ich habe es getan. Diese Seite ist übrigens lesenswert. So eine lustige und dennoch ernst gemeinte Rhetorik ist mir noch selten untergekommen. Ok, ich will es ganz offen sagen: Ich halte diese Leute für völlig durchgeknallt.

 

Natürlich (nochmal Überraschung) taucht Lynn Sneddon wieder auf und der Rest der Quellen verweist auf Philosophen, die sich mit Ethik und Moral beschäftigen. Richtige Wissenschaftler, die auch mal einen Fisch von nahem gesehen haben, sucht man vergeblich.

 

Ich will niemandem vorschreiben, wie er seinen moralischen Kompass zu kalibrieren hat und wenn jemand glaubt, dass es unmoralisch ist einen Fisch zu angeln, sei es ihm gegönnt. Ich wehre mich aber entschieden gegen solch unseriöse, rhetorische Manipulationsversuche, wie diese ständige und auch unanständige Nutzung solch plakativer, aber inhaltsloser Vokabeln.

 

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Kommentare: 3
  • #1

    Mark (Dienstag, 24 September 2019 13:31)

    Genau so ist es! Alle Infos sind eigentlich frei verfügbar, aber niemand schaut es nach. Jeder frisst kritiklos, was facebook & Co servieren. Gerade gab es einen 1000fach gelikten Post. 51% des CO" kämen von der Landwirtschaft. Tatsächlich sind es gerade mal 0,1%, wie jeder problemlos nachlesen kann.

  • #2

    Firefly (Dienstag, 24 September 2019 13:34)

    Ja, 0,1% durch Landwirtschaft, über 90% durch Energiewirtschaft, Mobilität und Wärmegewinnung.
    Das sagt der Weltklimarat.

  • #3

    Carp(e) Diem (Sonntag, 29 September 2019 19:45)

    Sauber zusammengefasst. Letztendlich ist es aber wurscht. Kein anderes Schlachttier hat so ein schnelles und sauberes ende, wie ein geangelter Fisch, der sachgerecht versorgt wird. Ausserdem hatte er vorher ein richtiges und natürliches Leben. Unsre Gesetzgebung ist schon richtig wie sie ist. Die sollte aber nicht verschlimmbessert werden.